Reich ins Heim

Regie: Ulrich Waller

Die Deutschen werden alt. Sie kriegen kaum noch Kinder, jammern viel und neigen auch politisch schon mal zur Inkontinenz. Gelegentlich wirkt es, als seien sie sind nicht ganz dicht. Der Ruf nach Erneuerung ertönt. Nach Werten. Und damit sind nicht nur die Leberwerte gemeint.

Hatten wir nicht schon mal Werte? Und wer hat sie kaputt gemacht? Etwa die Alt 68er, deren Ende jetzt gekommen ist? Hatten sie nicht immer gegrölt: „Macht kaputt, was Euch kaputt macht!“? Viel ist kaputt gegangen. Im Staat, in der pisadummen Schule und in der Beziehungskiste. Die Alt-68er – ein voller Erfolg? Nun beginnt für diese Generation selbst allmählich der Abgang und der Weg in die Seniorenparadiese. Der Aufstieg, der jetzt noch kommt, erfolgt höchstens mit dem Treppenlift. Werden sie auch den noch kaputt machen?

Arnulf Rating, schon immer einer der Respektlosen seiner Zunft, erkundigt sich, wo man in diesem Land am besten alt werden kann. Er spürt die Hoffnungsträger der Zukunft auf und die offenen Pflegestellen. Wer bringt die Deutschland AG voran? Was sagen die Experten, wie steht es bei den Strippenzieherinnen hinter den Kulissen, den Alkoholikern in den Ausschüssen, dem Ausschuss in den Kneipen? Rating geht dem Zauber der Parteiendemokratie nach, die um so stabiler ist, je mehr die Leute darüber schimpfen. Und die das ewige Wunder immer neu vollbringt, mit der es noch jede Regierung geschafft hat, die Armen ärmer und die Reichen reicher zu machen.


„Polemisch, ätzend, böse fielen seine Analysen aus. Ein fulminantes satirisches Feuerwerk. Wer da nicht aufpasste, fühlt sich irgendwann geradezu erschossen von den prasselnden Pointen. Andere Kabarettisten hätten für diese rasant präsentierte Fülle gut das Doppelte an Zeit gebraucht.
Das Diffizile bei Arnulf Rating und damit sein großes Verdienst ist es, dass er es keinem leicht macht im Publikum. Außer vielleicht jenen, die die wüstesten Attacken am hef­tigsten umjubeln und gar nicht merken, wie sie auf den kabarettistischen Leim kriechen.“
Kieler Nachrichten

„Arnulf Rating hat legendäre Seiten der deutschen Kabarettgeschichte mitgeschrieben, von den ‚Reichspolterabenden‘ bis zur ‚Schwester Hedwig‘ oder dem ‚Karl-Heinz Gröbner‘ seiner inzwischen sieben Soloprogramme. Vor allem war er einer der ‚3 Tornados‘, jener Berliner Anarchotruppe, die von 1977 bis 1989 das vielleicht einzige deutsche Gegenstück – wenn auch ein politisierendes – zum britischen Monty Pythons Clan bildete. 1979 mit dem Förderpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis bedacht, hagelte es danach Auftritts- und Ausstrahlungsverbote, Prozesse und ähnliche ‚Auszeichnungen‘, die den Tornados eine treue Fangemeinde bescherten.
Anno 2003 hat Arnulf Rating nun den ‚richtigen‘ Deutschen Kleinkunstpreis bekommen: Ist er nun wie Joschka Fischer auf dem langen Weg durch die Instanzen angekommen bei Gesellschaftstragendem statt bei Gesellschaftskritischem? Mitnichten. Zwar ist Rating ‚sich treu geblieben, weil er sich ändert‘, wie es in der Laudatio heißt, aber genug von dem anarchischen Klamauk früherer Jahre hat er sich bewahrt.
Sicher, abgeklärter ist alles geworden. Aber zum Zyniker ist Rating deswegen nicht geworden, und auch nicht zum Comedy-Entertainer. Topaktuelles Hochgeschwindigkeitskabarett liefert er immer noch ab, mit viel Witz und manchmal eben auch noch mit tieferer Bedeutung.“
Süddeutsche Zeitung