Schwester Hedwigs ätzende Sprechstunde

Kabarett
Lacher für Arnulf Rating

VON EVELYN EISCHEID


„Stresstest“ mit Arnulf Rating: Der Kabarettist schlüpfte in die verschiedensten Rollen.
BILD: Evelyn Eischeid

BRAKE — Den Irrsinn in Worte fassen – wer könnte das besser als Schwester Hedwig? Sie hat ihr Ohr stets nah am Patienten, und ganz besonders gilt ihre Sorge und Zuneigung den Stressgeplagten. So mütterlich Hedwig indes auch daherkommt, in ihr steckt ein maskuliner Kern – und der heißt im richtigen Leben Arnulf Rating. Der Kabarettist unterzog am Donnerstagabend die Besucher des Braker Fischerhauses einem „Stresstest“.

In ihrem Stressmobil mit Belastungsfahrrad ist Schwester Hedwig nicht allein: Flugs verwandelt sich die Krankenschwester in den weiß bekittelten Dr. Mabuse. Den kannte Hedwig schon, als er noch im Reagenzglas heranwuchs. Und ihm, dem stressgeplagten Medizinstudenten, schrieb sie auch die Doktorarbeit – in Deutschland nichts Ungewöhnliches.

Warum sind die Deutschen so gestresst, wenn sie unbeschadet und stark die Finanzkrise meisterten und stoisch die täglichen Katastrophenschlagzeilen abwettern? Um dieser Frage nachzugehen, schlüpfte Arnulf Rating in die verschiedensten Rollen. Natürlich hat jede der Figuren ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge. Und ebenso natürlich bekommen alle ihr Fett weg, die Politiker und die Banker ganz vorneweg.

Rating: „In Schleswig-Holstein musste ein Politiker wegen Liebe zurücktreten, während die Schweine der HSH-Nordbank bleiben durften. Und die Kerle halten sich immer noch für den Nabel der Welt.“ Mit irrwitzigen Wortkaskaden feuert Arnulf Rating seine Boshaftigkeiten ins Publikum. Die Zuschauer können mit dem Lachen gar nicht so schnell nachkommen. Und sie bejubeln Ratings Frage, wie eigentlich solch eine „Regierungsgurkentruppe“ mit der Katastrophenflut ohne Stresstest klar kommt.

Nach zwei Stunden verbalem Feuerwerk wird klar: Arnulf Rating legt nicht einfach die Finger in nationale Wunden. Er feilt sich vorher die Fingernägel spitz – ganz ohne Stress.

© NWZ online, 15.10.2011