Wo der Schuh schmerzhaft drückt

Keine Frage, Arnulf Rating ist einer von den Großen: Einst Mitglied der legendären Berliner Kabarett-Gruppe "Die drei Tornados" steht der mehrfache Kleinkunstpreisträger seit über dreißig Jahren erfolgreich in Sachen politischem Kabarett auf der Bühne. Ein mutiger Aufklärer, turboschneller Rhetorikkünstler und bissiger Regierungskritiker. Deswegen ist das Freiburger Vorderhaus zu seinem achten Soloprogramm "Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle" auch ausverkauft. Doch richtig zünden will der Abend erst am Ende.

Dabei macht Arnulf Rating Breitband- Kabarett: In rasendem Tempo palavert er sich hakenschlagend durch die Symp tome einer kranken, korrupten Welt, springt von Kirche zu Klimakatastrophe, von Ackermann zu Viehzucht, von Merkel zu Doping. Klassisches Wortkabarett mit Pointen-Trommelfeuer, das bei aller Begeisterung auch erschöpft. Zwar gibt es brillante Analysen und tolle Wortspiele, aber so richtig originell oder neu ist selten, was Rating da erzählt. Sogar das ein oder andere zotige Klischee hat sich eingeschlichen. Witzig wird es, wenn er Klischees ins Groteske weiterspinnt: Die grüne Bundeswehr mit Pfandpatronen und Gebetsteppichen in die Wüste schickt, Abwrackprämien für Politiker fordert oder ungedopte Kunst und damit leere Museen.

Eine Bereicherung ist bei so intensiver Ein-Mann-Bühnenshow ja immer das Typenkabarett. Es bietet dem Publikum Abwechslung und damit neue Spannungsbögen, während der Künstler sich in schillernder Vielfalt präsentieren kann. Doch auch das gelingt hier nicht wirklich: Trotz Doppelzopf und weißem Häubchen ist Hauptfigur Schwester Hedwig immer noch ganz Arnulf Rating und auch sein restliches Bühnenpersonal bleibt vom BKA-Beamten bis zur Hauptschuldirektorin ziemlich blass, da nur oberflächlich angespielt. Wenn es aber um Geld geht, um Steuern, Bankenkrise, Hartz IV, Gesundheitsreform oder Renten, dann schlägt das Publikumsstimmungsbarometer aus: Jede Menge Wut und Frust köchelt da im Saal und vollste Zustimmung für den, der auf der Bühne so klar und bissig formuliert, wo der Schuh immer schmerzhafter drückt. Dann ist es quicklebendig — das politische Kabarett.

© Badische Zeitung, 27.01.2009