Weckruf für „Schläfer”

Böse Pointen mit Arnulf Rating und Schwester Hedwig im Lincoln


Kommentiert das Zeitgeschehen mit Häme und Humor: Schwester Hedwig alias Arnulf Rating. Foto: Niepötter / masterpress

Von Ulrike Schäfer

Nach zweieinhalb Stunden Arnulf Rating ist man an einen Punkt gelangt, an dem man angesichts und trotz des Feuerwerks an sprachlichem Pointen, aberwitzigen Einfällen und sscharfzüngigem Sarkasmus nicht immer weiß, ob man weinen oder lachen soll. Denn allzu deutlich spürt man hinter den schillernden Wortkaskaden den bitteren Ernst.

Fernab von Ideologien

Arnulf Rating ist ein politischer Kabarettist, einer, der „Schläfer” aufwecken will, wenngleich er nichts mit „Deutschland, erwache” und sonstigen Ideologien im Sinn hat, und Material hat er natürlich ohne Ende: die Gesundheitsreform („Warum braucht ein altes Ehepaar eigentlich zwei Gebisse?”), die Rentenpolitik, das Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel der Parteien („Warum werden die Parteien eigentlich nicht vor der Wahl von Stiftung Warentest geprüft und die Inhaltsstoffe voll deklariert?”), das Doping der Sportler („Warum sollten die eigentlich die einzigen sein, die sich nicht zudröhnen?”) und den Einsatz von Bundeswehrtruppen in „Afghanien”, über den sich seine Hauptfigur, die lebenspraktische Schwester Hedwig, entrüstet äußern darf.

Mit blonden Zöpfen unter der Haube und riesigem Busen unter dem Kittel ist sie, die als langjährige Assistentin hinter den Kulissen von Sabine Christiansens Talk-Shows Politiker beatmet und bespritzt hat, geradezu prädestiniert dazu, über den Niedergang der Männer im Umfeld Angela Merkels zu sprechen.

Arnulf Rating schlüpft aber auch in die Rolle des Bundeswehroffiziers, der jugendlichen Schlägern verrät, wo man mit exklusivem Equipment bei bester Bezahlung ungestraft auf Ausländer eindreschen kann. Er lässt zweifelhafte Pädagogen gegeneinander antreten, die den Schulalltag drastisch analysieren und überraschende Schlüsse in Buchform veröffentlichen: „Das Lehrerprinzip: Ich bin dann mal weg!”. Jammert als Grüner über die Verkennung seiner Partei, obwohl er doch dafür gesorgt hat, dass die Waffen bei Bundeswehreinsätzen ökologisch unbedenklich sind.

Sinniert als Arnulf Rating, ob auf den Panzern nicht stehen sollte: „Schießen tötet!” und wie es wäre, wenn Muslime als Soldaten der Bundeswehr fünfmal am Tag den Gebetsteppich ausrollen würden. Manche Attacke des Kabarettisten ist gewöhnungsbedürftig, und vor Plattitüden scheut er keineswegs zurück.

Aber hier weiß er sich in guter Gesellschaft der Bild-Zeitung, deren Schlagzeilen er traditionell mit viel Häme kommentiert.

Gute Nacht

Gegen Ende seines Programms fragt er als Sicherheitsbeamter der Kanzlerin ein bisschen höhnisch, wo denn nun eigentlich die „Zone” sei, im Osten oder im Westen, und klick! macht er ein Foto vom arglosen Publikum für die Akten. Bei der Zugabe schiebt er dann noch ein bisschen nach und führt als alerter Bundesbeamter überzeugend vor, dass ein eingebrannter Strichcode ab Geburt den Kontakt von Mensch zu Mensch um vieles erleichtern würde.

Und während er noch einmal das „Allahu akbar” als Zukunftsmusik über den Obermarkt erschallen lässt, verabschiedet er sich mit einem herzlichen „Schlafen Sie ruhig weiter!”

© Wormser Zeitung, 14.04.2008