Böse und gemein – Kabarett eben

Arnulf Rating ist Berliner, wurde in der Stadt trotz böser Seitenhiebe trotzdem angenommen

HERZOGENAURACH. Ginge es nach dem Kabarettisten Arnulf Rating, so habe Herzogenaurach alle Chancen, in absehbarer Zeit eine Oase für Pflegebedürftige zu werden. Wie das geht, hat er in seinem Soloprogramm im Vereinshaus aufgezeigt.

von Volker Schneller

Mit dem Kabarettbeitrag schloss das Kulturamt der Stadt die diesjährigen „Herzogenauracher Kulturtage“. Der Berliner Arnulf Rating hatte rund 250 Besucher angelockt, die ihr Kommen sicherlich nicht bereuten. Über zwei Stunden bot der Protagonist eine Fülle an vorwiegend bundespolitischen „Spitzfindigkeiten“, garniert mit einer Prise Lokalkolorit.
Erst zwei Stunden vor Beginn war er in der Stadt eingetroffen und da blieb nicht viel Zeit, um sich mit Details vertraut zu machen. Gleichwohl ist es ihm gelungen, wie kleine Schlenker in Richtung Sportschuhmetropole bestätigten. Seine meist rustikalen Pointen rissen einige Besucher zwar nicht durchgängig von den Sitzen, doch mit seiner Berliner Spritzigkeit hatte er das Publikum stets auf seiner Seite. Hinzu kam, dass er inhaltlich zwischen den Worten genug Spielraum ließ, um Nachdenkliche von dem im Kern oft zutreffenden Aussagen zu überzeugen.

Alte Stadt aber fit

Schon der Auftakt seiner Darbietung erreichte das Publikum auf der heiteren Seite, denn mit seiner „Liebeserklärung“ zeigte sich Rating gewillt, nicht allein überregionale Schwerpunkte zu setzen. „Herzogenaurach ist ein älterer Ort, fit wie ein Turnschuh und schön gelegen, nicht so wie etwa Zweifelsheim“, so der Kabarettist. Als in diesem Augenblick ein Besucher sein Glas fallen ließ, konnte nicht ausgemacht werden, ob dieser aus Zweifelsheim stamme. Rating kommentierte das Klirren jedenfalls mit der Anmerkung, dass jemand soeben seine Kontaktlinsen verloren habe.
Er merkte an, dass Deutschland über mehrere Wochen hinweg keine Regierung hatte und in dieser Zeit die Zahl der Arbeitslosen rückläufig war. Das habe keine Regierung hinbekommen. Die neuen Tätigkeiten von Altkanzler Schröder („der hat nun gleich zwei neue Jobs und dies ganz ohne Arbeitsvermittlung“) waren natürlich ebenso Thema wie die „marode Deutschland AG “, die es zu retten gelte. Wie letztere aus Sicht von „Experten“ zu retten sei, wusste er auch vorzuschlagen. So sollten alle Leute, die in der Deutschland AG keine Arbeit mehr haben, sofort entlassen werden, „ihre Arbeitsplätze würden ja sowieso schon in der nächsten Woche in China neu errichtet.“

Er stellte eine Sabine-Christiansen-typische Gesprächsrunde nach, die sich unter anderem mit der Frage befassten, ob Herzogenaurach 2008 polnisch werde, „ob wir hier so alt werden können, wie diese Stadt aussieht“ und ob Herzogenaurach eine Zukunft hat und wenn ja, warum? Einer dieser Experten meinte, dass die Stadt sicher seinen Reiz besitze, bei der Anfahrt habe er jene vertrauten Schlaglöcher in den Straßen vorgefunden, die er noch aus alten DDR- Zeiten kenne.

Alter? Kein Problem!

Die Bürger in der Stadt sollten gleich von der Pflegestufe 1 in die Stufe 3 überführt werden, so Rating zum Altersproblem. Früher seien die älteren Leute auf allen Vieren gehoppelt, heute gehen sie aufrecht am Nordic-Walking-Stock. Derart fortschrittlich betreut und mit den Sportartikelfirmen im Hintergrund, solle man dann 2024 die Olympischen Spiele nach Herzogenaurach bringen.
Eine Umfrage habe ergeben, dass 95 Prozent der Herzogenauracher dafür seien, ihre Stadt zu erhalten. Das aber sieht außerhalb der Stadt etwas anders aus, denn da wären nur 0,64 Prozent dafür und 68 Prozent sei dies völlig egal. Während 78 Prozent nicht wissen, wo Herzogenaurach liegt, halten von diesen 92 Prozent Herzogenaurach für ein Regalsystem von IKEA.

War Kohl gedopt?

Thema Doping: Da habe man nun von dem Radrennfahrer Lance Armstrong sieben Jahre alte Urinproben gefunden und aufgemacht, „in so einem Labor möchte ich nicht arbeiten.“ Diese Proben hätten rechtzeitig bei Altkanzler Kohl gemacht werden müssen, wir hätten heute nicht den Euro und kein Maastricht-Abkommen.
Im zweiten Teil der Schau orientierte sich Rating ganz auf rund 30 Schlagzeilen von Deutschlands Auflagenstärkster Tageszeitung. So zum Beispiel zu Schmiergeldthemen: Ein Verweis auf „Schumi“, bei dem kann an der Mütze, auf dem Rennwagen oder am Anzug genau erkannt werden, woher sein Geld komme, daher könne auch bei Politikern eine „Bandenwerbung“ durchsetzbar sein.

Der Papst ist schwarz

Joschka Fischer, ebenfalls ein Ziel des Spotts, dieser befindet sich gerade im Krankenhaus, um bei der Geburt seiner nächsten Frau dabei zu sein. Die Überschrift „Wir sind Papst“, kommentierte Rating mit „Alle haben geglaubt, dass der neue Papst ein Schwarzer wird, und tatsächlich…“
Mit dem Ausruf, dass das Alter kein Untergang, sondern „unsere Zukunft ist“ und die Zeiten des Jugendwahns und der Nabelschauen von ganz alleine bald vorbei seien, brach Rating abschließend neuerlich eine Lanze für den „Pflegestandort Herzogenaurach“, in dem er sichtlich erschöpft nach einem Mammutprogramm mit langem Beifall aufgenommen wurde.

Helmut Biehler, Leiter des Kulturamts der Stadt, meinte in der Pause, dass dieser Kabarett-Abend ein würdiger Abschluss der Kulturtage sei. Zehn Veranstaltungen mit unterschiedlichen Themen und Schwerpunkten wurden von den rund 3000 Besuchern gut angenommen. 2006 sollen allerdings nach bisher im Ablauf ähnlichen 15 Jahren neue Wege beschritten werden. Details dazu müssten erst noch festgelegt werden.

© Fränkischer Tag, 20.12.2005