Wutbürger mit versteckten Pointen

Arnulf Rating erregt sich darüber, dass sich so wenige erregen.

von J. Eiland-Jung


Eine der ältesten Rating-Agenturen Deutschlands: Arnulf Rating
Foto: H. Fössel

LAHR. Politischer Scharfsinn, Sprachwitz und Tempo sind die Kennzeichen einer der „ältesten Rating-Agenturen“ Deutschlands, als die sich der Kabarettist Arnulf Rating gern bezeichnet. Am Freitagabend war der vielfach ausgezeichnete und durch Fernsehauftritte bekannte Solokünstler Gast im Lahrer Schlachthof.

Es wurde wenig geklatscht an diesem Abend, und das nicht, weil das Programm nicht gefiel, sondern weil zum Klatschen kaum Zeit blieb im atemlosen Stakkato, das Rating zweieinhalb Stunden lang durchhielt. Man ertappte sich dabei, dass einem die Doppeldeutigkeit mancher Sottise erst mit Verzögerung klar wurde. Dass Deutschland in der Wirtschaftskrise so verarmt sei, dass „Porsche sich nicht einmal mehr ’nen VW leisten konnte“, oder dass bei den – mit Betonung auf der zweiten Silbe – erwähnten Analysten entscheidend ist, „was hinten rauskommt“, erreichte die Hirnwindungen erst, als Schnellsprecher Rating schon beim nächsten Satz war. Pointen kostet er nicht aus, sondern überspielt sie gekonnt, ein bewundernswertes Understatement eines Sprachkünstlers, der sich aber auch nicht zu schade ist, mal einen Kalauer loszulassen. So reimt er zu Beginn mit Bezug auf Wetter und Wahlen: „Die Sonne schein, die Luft ist rein, Mappus muss erledigt sein“ oder beruhigt die Bewohner von Altersheimen damit, dass „unsere Einlagen sicher“ seien, und meint natürlich nicht die Bankeinlagen, sondern die Inkontinenz-Schlüpfer.

Dass er das Ländle als „Braten-Würstchenberg“ bezeichnet, lässt ihm das Publikum nur deshalb durchgehen, weil er es so kunstvoll vernuschelt vorbringt. Ansonsten kämpft sich der stolze Wutbürger Rating vor allem an der großen Politik ab, die ja auch einiges zu bieten hat. Die letzten zwei Jahre werden thematisch abgehandelt, wobei sich manches angesichts der Atomkatastrophe in Japan relativiert hat. Was war dagegen die Schlagzeile im vergangenen Sommer, „als BP den Golf voll getankt hat“? Was waren Käßmanns und Kochs Rücktritte gegen den von zu Guttenberg, der in den Berliner Zeitungen mit „Mutti ohne Gutti“ oder „Adel verzichtet“ betitelt wurde?

Doch bei aller Aktualität und beim Abarbeiten am politischen Personal, Ratings Anliegen ist größer. Mit Zorn, Wortgewalt und ganz ohne Augenzwinkern prangert er Kommerzialisierung und Politikunlust an, regt sich über die juristisch fragwürdige Aufklärung des Mordes an Generalstaatsanwalt Buback ebenso auf wie über die Dreistigkeit von Bankern und Managern, die für Misserfolge Millionen einheimsen. Und er liest dem Volk die Leviten, das sich – trotz Stuttgart 21 – immer noch viel zu wenig aufrege. „99,9 Prozent der Leute sind im Koma“, befindet er, und tat in Lahr sein Bestes, damit das nicht so bleibt.

© Badische Zeitung, 04.04.2011