„Aufwärts!“ — Voll in den Dreck

VON ROMINA KETTNER

Dinslaken (RP)   Temporeich und wortgewandt fegte Arnulf Rating als zynischer Polit-Kabarettist über die Bühne des Dinslakener Dachstudios. Witze über die Verwahrlosung der Medienlandschaft kamen ebenso gut an, wie sein mit Sarkasmus erfüllter Blick auf die Politiker in seiner Wahlheimat Berlin.


Arnulf Rating bot im Dachstudio bitterböses Kabarett. RP-Foto: Jörg Kazur

Im schwarzen Nadelstreifenanzug und mit gepflegter Halbglatze betritt Arnulf Rating das sehr gut besuchte Dinslakener Dachstudio. Der politische und gesellschaftskritische Kabarettist gibt gleich zu Beginn einen kurzen Abriss, welche thematischen Zuckerstückchen sich für einen scharfzüngigen Humoristen anbieten: Da ist die Weltwirtschaftskrise, der Impfstoffüberfluss gegen die Schweinegrippe oder die schwarz-gelbe Koalition um Kanzlerin Angela Merkel. Dabei witzelt der gebürtige Mülheimer nicht nur über Politiker und Wirtschaftsbosse, sondern bemängelt ebenfalls die unerschütterbare Gleichgültigkeit der Verbraucher und Steuerzahler, die, wie er schmunzelnd bemerkt, auch in Dinslaken an den Tag gelegt wird.

Schwimmendes Pflegeheim

Das Publikum ist sichtlich amüsiert, wenn Rating mit den Stereotypen des Berliner Künstlers spielt, der durch seine Kunst die Welt zu mehr Engagement bewegen will, aber nirgends verstanden wird und aus lauter Verzweiflung das Buffet auf die dekadenten „Visagen seiner Vernissage“ wirft. Mit nichts als seinen rhetorischen Fähigkeiten, mit denen er das Publikum zeitweise auf höchstem Tempo zum Mitdenken auffordert, und ein paar Bauklötzen, die ein Sinnbild für das zum Scheitern verurteilte „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ darstellen, füllt der Gewinner des deutschen Kleinkunstpreises sein neuntes Soloprogramm „Aufwärts!“.

Angefangen von Guido Westerwelle, den er „Hassprediger des Neoliberalismus“ nennt, über den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche, in der es vom Kavaliers-Delikt nun zum Kardinal-Verbrechen gekommen sei, bis hin zu Rentner-Kreuzfahrten, wo die „MS-Mumienschieber“ zum „schwimmenden Pflegeheim“ wird, beleuchtet Rating so das Verhalten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sarkastisch, wie es sein Programmplakat bereits erahnen lässt. Es zeigt eine Rolltreppe, die entgegen dem Titel „Aufwärts!“ Vertreter sämtlicher Bevölkerungsgruppen abwärts und direkt in die Kloake befördert.

Sei es die Globalisierung, die der 1951 geborene Kabarettist dem Publikum mit der Persiflage einer Feuerwehrhotline, die nach China verlegt wurde, um Kosten zu sparen verdeutlicht, oder die unumgängliche Assoziation mit dem Tod, wenn der verdrossene Wähler zur Wahlurne geht, um dem Irrglauben zu unterliegen, dass „mit der ersten Stimme die Regierung und mit der zweiten Stimme die Opposition gewählt wird“.

Arnulf Rating kritisiert eben nicht nur humoristisch den Politiker, sondern auch die Bevölkerung und richtet seinen Fingerzeig sowohl auf den Gewählten als auch auf den Wähler.

Zum Schluss blickt der schlagfertige Zyniker noch einmal auf die wichtigsten Programmpunkte zurück und trifft mit der Analogie, dass die politische Standortbestimmung dem Hütchenspiel gleicht, wohl nicht nur den Humor der begeisterten Zuschauer, sondern leider auch den Nerv der Zeit.

© RP ONLINE, 15.02.2011