Kabarettist Arnulf Rating unterhielt mit bitterbösem Zynismus und lockeren Kalauern

Politik auf dem Seziertisch

Aus der Entfernung erinnert er an den niederländischen Künstler Herman van Veen. Zumindest was die Frisur betrifft, die er seinem Hausarzt „Dr. Mabuse“ zu verdanken hat: „Nachdem ich die Pillen nahm, bekam ich diesen ausgedehnten Mittelscheitel.“


Analytiker: Kabarettist Arnulf Rating präsentierte sein Programm „Aufwärts“ im Piazza in Vellmar. Foto: Malmus

Doch im Gegensatz zum niederländischen Fantasie-Künstler ist der Kabarettist Arnulf Rating kein singender Lebenszauberer, sondern ein vor sich hin schwadronierender Entzauberer und Wachrüttler.

„Aufwärts“ heißt sein Programm, das er am Freitag im Piazza in Vellmar präsentierte. Der Titel klingt vielseitig deutbar, für Rating aber ist es eindeutig: Wieder aufwärts geht es nur, wenn es mit der Moral von Politik und Wirtschaft nicht weiter abwärts geht. Intellektuell ansprechend und unterhaltsam, wie er am Freitagabend als Hütchenspieler, Biertisch-Weiser und Bürotiefflieger im Beamtensessel das politische System und seine Herrschenden auf den Seziertisch nagelte. Rating ist ein scharfzüngiger Analytiker, der gern den kurzatmigen Tor mit Bildzeitung im Arm mimt.

Doch seine Doppeldeutigkeiten und Pointen sind nicht auf lautstarke Brüller ausgerichtet. Er knallt sie dem Publikum nicht um die Ohren - er legt sie vor, er gibt zu denken. Man kann darüber lachen, aber auch Betroffenheit spüren.

Abwrackprämie? „Ein Schweigegeld von Merkel. Kauft euch ein Auto, damit ihr was zu spielen habt.“ Akribisch und entlarvend deckt er Folgen und Betroffene wirtschaftspolitischer Seilschaften auf: Überziehungszinsen? „Unser Solidaritätszuschlag für die Banken.“ Politik? „Die einzige Volkspartei ist die Partei der Nichtwähler.“

Neben Tiefsinn platziert er hin und wieder kleine Wutanfälle, „der Westerwelle ist zwar schwul, aber trotzdem ein Arschloch“, bitterböser Zynismus: „Amoklauf ist deutscher Schulsport“, aber auch, wie zur Entspannung, immer wieder kleine Kalauer. Viel Applaus für diesen großartigen Kabarettisten.

Von Steve Kuberczyk-Stein

© Hessische/Niedersächsische Allgemeine Zeitung, 28.03.2010