Mit bösen Hintergedanken das Weltgeschehen seziert

Kabarett Arnulf Rating hat es besonders auf die FDP abgesehen: Rückrufaktion für Westerwelle

Wortwitz und scharfe Satire sind die Spezialitäten des Berliners. Er hat eine treue Fangemeinde in Nordenham.

VON KLAUS TURMANN

NORDENHAM — Rappelvoll war die Jahnhalle am Freitag beim Kabarettabend mit Arnulf Rating. Vom Schnee und Eis auf den Straßen ließen sich die Besucher nicht aufhalten. Sie erlebten einen zwei Stunden langen, flott präsentierten Vortrag, in dem der Berliner den Zustand unserer Welt sezierte und die Zuhörer-Hirne an ihre Konditionsgrenze brachte.

Erklärer in Nadelstreifen

Diesmal verzichtete der Künstler, der schon mehrfach in der Jahnhalle zu Gast war und früher zu den Drei Tornados gehörte, auf einen Garderoben-Wechsel und spielte das gesamte Programm im Nadelstreifen-Anzug. Abwechselnd trat er als zynischer und sarkastischer Welt-Erklärer und Desillusionierer auf. Innerhalb einer Nummer verwandelte sich Arnulf Rating überzeugend vom Kultus-Beamten über den entrüsteten Kunst-Schaffenden und die kunstsinnige Chirurgin zum kaltschnäuzigen Boulevard-Schreiberling, der auch „Barbara Salesch“-Skripte verfasst.

Mit Gestik und Überzeugungskraft sprach er das Publikum an. Sein Markenzeichen, den „breiten Scheitel“, erklärte er als Therapie-Erfolg seines Arztes, Dr. Mabuse.

In schneller Folge kommentierte Arnulf Rating so ziemlich alle aktuellen Themen, wie Finanzkrise, Sozialpolitik, Schweinegrippe, Gesundheitssystem, Europa, die Bahn, Parteien und heimliche Polit-Strategen. Dabei vergab die Rolle des Lieblingsfeindes an die FDP. Dass Gesundheitsminister Philipp Rösler einst als Waisenkind aus Vietnam nach Deutschland geholt wurde, sei in Ordnung. Doch hätte man verhindern müssen, dass er im „kriminellen Milieu der FDP aufwächst“. Für Guido Westerwelle empfahl er eine Rückruf-Aktion wie bei Toyota — schließlich funktionierten bei dem auch keine Bremsen mehr.

Die Zuhörer erfuhren, dass Brüssel das Endlager für ausgediente Politiker sei und durften sich ein Gespräch zwischen Stoiber und Oettinger auf Englisch ausmalen. Herr Steinmeier hätte, so „die älteste Rating-Agentur Deutschlands“, statt sich zur Wahl zu stellen besser auf den alten Indianer gehört: „Wenn das Pferd tot ist, steig’ ab!“

Call-Center in China

Da strategische Überlegungen heute nicht mehr von Beamten, sondern zum Beispiel von der Bertelsmann-Stiftung ausgingen, könne der Staat gründlich verschlankt und in Form von Call-Centern in China angesiedelt werden.

Viel Wortwitz und ein scharfer Blick mit bösen Hintergedanken sind Arnulf Ratings Spezialität, echte Empörung ist immer wieder zu spüren. Das Job-Wunder mit einer Million neuer Arbeitsplätze sei nichts anderes als die Umwandlung einer Viertelmillion Vollzeit- und Tarifjobs in unterbezahlte Mini-Jobs.

Mit dem Kommentieren eines Stapels Bild-Zeitungen und deren Schlagzeilen gestaltete er 20 kurzweilige und erhellende Minuten. Man lernt, dass „bei Dieter Bohlen das Brett vorm Kopf schon im Namen“ steckt und Caroline von Monaco einen Prinzen heiratete, nur um später feststellen zu müssen, dass es ein Frosch ist — und das ohne ihn an die Wand werfen zu müssen. Er nennt den Hamburger Bürgermeister „Beule von Pest“ und die neue katholische Bewegung „Kirche von hinten“.

Großen Beifall erhielt er für den Vorschlag, die Stiftung Warentest solle die politischen Parteien bewerten — für künftige Wahlen. Gleich zwei Zugaben erklatschte sich das Publikum und kam so unter anderem in den Genuss eines Hütchen-Spiels mit Politiker-Figuren, bei dem Sigmar Gabriel spurlos verschwand.

© Nordwest Zeitung (Nordenham), 08.03.2010