Arnulf Rating: Pointen gegen Politiker-Phrasen

Berlin (MOZ) Ein Tisch, zwei Stühle, drei Charaktere, ein Darsteller – Arnulf Rating kommt ohne großen Aufwand an Requisiten aus, wenn er die Meinung des kleinen Manns genauso auf die Bühne bringt, wie die pathetisch vorgebrachten Phrasen der Polit-Prominenz. Eines lernt der Gast im Berliner Mehringhof-Theater während dem zweistündigen pointenstarken Kabarett-Programm "Alles Prima", das seit Dienstag in Kreuzberg zu erleben ist, schnell: Rating steht den großen Problemen unserer Tage zwar genauso ratlos gegenüber wie die meisten der Bundesbürger. Doch er hat allen einen entscheidenden Schritt voraus: Er weiß, dass wir nicht wissen, manche aber so tun, als wüssten sie. Seine bitterbösen Kommentare wirken auf die Lachmuskeln extrem anregend und auf die Psyche entsprechend befreiend.

Obwohl er das aktuelle Programm schon mit großem Erfolg in der ganzen Republik gezeigt hat, bleibt er immer hart an der aktuellen Nachrichtenlage dran und baut spontan Brücken – beispielsweise von der Wahl des neuen Papstes direkt zu einem der größten Probleme im Land: der Massenarbeitslosigkeit. Dass Joseph Ratzinger zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde, zeige nur, dass man auch in hohem Alter eine Stelle finden könne. Der Witz ist respektlos, und also ein typischer Rating.

Das Kabarett-Urgestein – 1977 war er bei der Gründung der legendären Beliner Anarcho-Kabarett-Truppe "Die 3 Tornados" dabei – nimmt sich auch die Gesundheitsreform vor: Auf alle Fälle würde seit Einführung der Praxisgebühr die ärztliche Diagnose leichter, frotzelt er. Bei der Frage des Arztes, "Was fehlt uns denn", stünde die Antwort immer schon fest: zehn Euro.

Das Rentensystem hingegen möchte Rating am besten nach China verkaufen – schlagartig würde sich die Situation ändern, wenn Millionen Menschen bis zum 65. Lebensjahr in Deutschland einzahlen würden, zumal die Chinesen nur eine durchschnittliche Lebenserwartung von 67 Jahren hätten, und demnach auch nur zwei Jahre lang Bezüge erhielten.

Immer wieder spielt Rating mit den Grenzen des guten Geschmacks, überschreitet sie auch – doch das eigentlich Anstößige, auf das er hinweisen will, ist, dass viele Politker eben ganz kühl kalkulieren: So treffen Ratings Pointen genauso mitten hinein ins schwarze Parteienlager wie ins rote, grüne oder gelbe.

Natürlich schießt der 54-Jährige, der 2003 Deutschen Kleinkunstpreis erhalten hat und auch Prozesse und Auftrittsverbote ironisch als "Auszeichnung" versteht, dabei scharf selbst gegen Kanzler und Kabinett. Zu Manfred Stolpe merkt er an, dass der Ex-Kirchenmann doch gewusst haben müsse, wie eine Kollekte funktioniere. Als virtuoser Vokabel-Jongleur versteckt er in "Kollekte" die Anspielung auf die Firma Toll Collect.

Glänzend ist aber seine eigenwillige Analyse der Ich-AG, die sich als roter Faden durch den ganzen Abend zieht: Chef, Mitarbeiter und Betriebsrat in einer Person zu sein, stellt Rating oft vor fast unlösbare Probleme – fast wie im richtigen Leben. Da hilft nur Humor, damit am Ende doch noch "alles prima" wird.

© Märkische Oderzeitung, 20.04.2005