Plädoyer für Unvermögenssteuer

Überragender Arnulf Rating bei den Kabaretttagen

Ingolstadt (DK) Arbeitsiosenzahlen und Pleitewellen, Gesundheits- und Steuerreform. Er könne diese Schlagworte selbst schon nicht mehr hören, sagt der Referent. Und doch macht er daraus ein mit- und hinreißendes Programm. Kein Wunder, er heißt Arnulf Rating, ist sicherlich der wortgewandteste Politkabarettist Deutschlands und verfügt über die durch nichts zu ersetzende Gabe, selbst trockene Stoffe wie die Wirtschafts- und die Sozialpolitik derart spritzig und komisch darzustellen, dass man aus dem Lachen nicht mehr heraus kommt.
„Alles prima“ nennt er sein Programm, das er bei den Kabaretttagen in der Neuen Welt vorstellt, wobei vorab die Frage an die Zuhörerschaft lautet: „Was wollen Sie heute von mir hören? Politik oder Quatsch?“ Nachdem jedoch beide Begriffe derzeit ziemlich deckungsgleich sind und Ratings Konzept sowieso eine erlesene Mischung aus beiden vorsieht, geht er gleich munter ans Werk. Topaktuell wie immer – auch die neuesten Arbeitslosenzahlen vom Vormittag sind bereits eingearbeitet – spürt der Schnüffler Rating undurchsichtigen Geldtransfers nach, doziert über die Spätfolgen des Mauerfalls, sinniert über Beraterverträge und Aufsichtsräte, sieht die Demokratie auf dem direkten Weg in die Geriatrie und gründet schließlich in seiner Not in einer spektakulären Aktion eine eigene Ich-AG inklusive Aufsichtsrat, Betriebsrat, Börsengang und interner Tarifverhandlungen.
Was Rating an diesem Abend macht, ist blitzgescheites, originelles und wortgewaltiges Kabarett, das vor Ideen fast überquillt, bei dem kein Nebensatz ohne Bedeutung ist und die Pointen nur so sprudeln. Natürlich schenkt er in seiner unnachahmlichen Boshaftigkeit Politikern und Wirtschaftsbossen kräftig ein, kriegt jeder im politischen Spektrum zwischen Jürgen Trittin und Roland Koch kräftig eins übergebraten, die große Klasse Ratings offenbart sich aber in den für ihn so typischen Kurzsätzen, die wie Keulenschläge daherkommen. „Reform bedeutet: Ich muss zahlen. Immer.“
Lästern kann jeder, gewiss, auch Rating lästert, und zwar meisterlich, doch er hat auch gleich noch die Lösung für das volkswirtschaftliche Finanzproblem parat. „Ich fordere die Einführung einer Unvermögenssteuer und einer Labersteuer für Politiker! Damit lassen sich alle Finanzlöcher stopfen!“ Was postwendend mit derart krassen Beispielen belegt wird, dass man am Ende fast Mitleid bekommt mit der gnadenlos geohrfeigten Volksvertreterschaft in den Parlamenten. Ja, wo Rating hinlangt, gibt es Opfer. Andererseits bleibt aber auch kein Auge trocken. Ein erstklassiges Programm eines der ganz Großen seiner Zunft.

Karl Leitner

© Donaukurier, 03.03.2004