Arnulf Rating als Gast der Kabarettreihe "20.30"

Spottgewitter

Ein Bundeskanzler, der die eigene Partei auf 25 Prozent "verschlankt", Abfindungen bei Mannesmann, die immerhin "sozial ausgewogen" sind, denn schließlich wurde auch für die Gewerkschaftsspitze ein erklecklicher Betrag "abgezwickelt" oder 80 Millionen Ich-AGs als vermeintliche Krisenlösung, genauer gesagt "verharzter Blödsinn".

"Wenn Dummheit klingeln würde, bräuchten wir in Deutschland keine Handys", brachte Kabarettist Arnulf Rating die triste Lage der Nation auf den Punkt. Von A wie Agenda 2010 bis Z wie Zeitung (gemeint war das auflagenstärkste Boulevardblatt) sezierte Rating im Landestheater als Gast der Kabarettreihe "20.30" Politschwachsinn und Zeitgeistidiotie, kalauerte über Dieter Bohlen, "der das Brett vor seinem Kopf schon im Namen hat" und suchte nach tragfähigen Lösungen für den "Humorstandort Deutschland".

Dabei fehlte es dem einstigen Mitbegründer der Berliner Anarcho-Kabarettgruppe "Die drei Tornados" nicht an hinreißenden Ideen: Für die Einführung einer "Unvermögenssteuer", besser noch einer "Schwafelsteuer", um unfähige Politiker zur Kasse zur bitten, votierte Rating, "denn schließlich können wir das Geld ja nicht immer nur von den Armen, Kranken, Rauchern und Rentnern nehmen" und präsentierte auch gleich einen "Referentenentwurf" zur "Schwafelsteuerdurchführungsverordnung" ("Damit schaffen wir immerhin Arbeitsplätze, zumindest für Beamte").

Atemberaubend war das Tempo, mit dem der erfahrene Politkabarettist Rating in kraftvollen Pointen ein zorniges Spottgewitter über Politakteuren und Medienclowns entzündete, über Reformpakete sinnierte, in denen Probleme nicht gelöst, immerhin aber glänzend verpackt sind, über den Aufschwung Ost ("jeder weiß, wo man den findet: immer den Bach runter") oder über das "ostdeutsche Fräuleinwunder" Merkel, "bald die eiserne Lady, derzeit ist da allerdings noch vieles Blech".

Dass die Aufzucht von Schweinen in Deutschland ertragreicher ist als die von Kindern, und dass es sich zwar nicht lohnt, die Riester-Rente zu kassieren, umso mehr aber "Riesters Rente" ("Die Rente ist sicher, sagen die Politiker und meinen ihre eigene"), war Balsam auf mancher von Beutelschneidern geplagten Seele im Publikum, sonderlich originell indes war es nicht, immerhin aber mitreißend, zornig und befreiend.

Intensiv befasste sich der regelmäßige TV-Gast der Kabarettsendungen "Mitternachtsspitzen" und "Scheibenwischer" vor allem mit den skurrilen Aufmachern des größten Boulevardblattes, "wobei nie klar ist, ist das Politik oder Quatsch oder ist Politik sowieso Quatsch?"

Natürlich nahm er auch die Weltlage aufs Korn, reflektierte darüber, wie Fernsehprediger Billy Graham ("das Maschinengewehr Gottes") Bushs Weg vom Alkoholiker zum Präsidenten prägte und selbst in Demokratien bisweilen "nicht Kreuze entscheiden, sondern Fadenkreuze", wie jüngst in Schweden und Serbien.

Mit Wortwitz und geschliffener Sprache schnitt Arnulf Rating wie ein Dschungelkämpfer Schneisen in den von allzu viel Aberwitz und Torheit zugewucherten Politalltag und bot zwei Stunden hervorragendes Kabarett der alten Schule.

KaTse

© Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 06.05.2004