EntwicklungshilfeWarum wir das Inder-Net wirklich brauchen |
||
Ich weiß ja nicht, wie Ihnen das so geht. Aber manchmal hat man ja so rückständige Restbedürfnisse aus der Vorcomputerära der letzten Jahrtausende in sich... Es gibt so Tage, da will man nicht nur mit Leuten telefonieren oder chatten, ihnen Wap-messages oder e-mails schicken oder sie auf ihrer Homepage besuchen, da will man richtig hin. Da sagt man sich: Okay, egal, jetzt machen wir das, setzen uns in den Stau und Dreck da draußen und fahren persönlich vorbei. Neulich war so ein Tag. Meine Verliebte und ich waren zum Frühstück geladen bei Bekannten, die den Mut hatten, irgendwann von Berlin ins schöne Brandenburger Umland zu ziehen. Seitdem läuft unser Kontakt rege, aber auf elektronischem Weg. Denn die Wirklichkeit draußen ist rauh. Wir bewegen uns selten ins Brandenburgische. Einheimische dort fremdeln oft gewaltig. Wir meiden das. Es ist schlicht unangenehm. Also kennen wir uns in der Gegend nicht so aus – doch zum Glück hat das Internet auch an dieser Schnittstelle von virtueller und real existierender Welt eine Suchmaschine parat, die einem jenseits des weltweiten Web den Weg weist: den Falk-Routenplaner. Prima. Also fix ran an den Computer und los! Ich gab die Namen von Abfahrts- und Zielort samt dazugehörigen
Straßen ein und startete erwartungsfroh die Suche. Es erschien
die erstaunliche Meldung: Mhm. Kann vorkommen. Ich wählte dann unter Angeboten wie »Berlin
(Schläfrig-Holstein)« und »Berlinchen (irgendwo)« den
Ort »Berlin [Berlin]« und wartete wieder. |
Ich gab diesen Namen der Straße, in der ich wohne und die
auf jedem nicht virtuellen Stadtplan verzeichnet ist, in jeder erdenklichen
Rechtschreibvariante ein, aber immer mit gleichem Erfolg: Ein letzter Versuch: ich gab die nächste größere
Straße – »Oraniendamm« – ein, die Teil
der wichtigen B 96 ist, die quer durch Berlin führt. Antwort: Was war? Ist »Berlin [Berlin]« doch nicht Berlin? Was folgt daraus? Wir sind computermäßig Entwicklungsland. Daher brauchen wir dringend die 30.000 Inder, für die Schröder mit einer »Green Card« den roten Teppich ausrollt. Das ist zwar noch nicht Recht. Aber billig. Mit den Problemzonen in unseren virtuellen Welten werden sie uns auf die Sprünge helfen. Aber wie sollen sie klarkommen bei uns? Beispielsweise in unserer Problemzone im Grenzland Brandenburg, der Schnittstelle zwischen EU und dem unkompatiblen Rest der Welt? Brandenburg, wo Taxifahrer schon wegen Fluchthilfe vor Gericht gezerrt werden, weil sie Ausländer mitgenommen haben (es könnten ja Illegale gewesen sein). Wo Grenzschützer in Tateinheit mit Polizei und der freiwilligen Polizeireserve aus dem Volk aus ganz anderen Gründen als Schröder hinter Ausländern her sind? Wer programmiert die um? Wir brauchen Entwicklungshilfe für unsere abgestürzte soziale Hardware. Herr Schröder: Bitte überprüfen Sie ihre Eingabe! |
|
meier, April 2000 | ||
[ zurück ] |